Teil 1: Aufwärmphase - Kapitel 4

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Hoher Besuch

5. Juni 2113, Planet: Erde

Acht Tage waren vergangen, seit Kai seinen Platz bei Reece Racing gefunden hatte. Obwohl die Tage hart waren und die Nächte lang, fühlte sich jeder Moment wertvoll an. Sein Tag begann früh, bevor die Sonne Neu Archadia berührte. Das Lager erwachte mit dem lauten Rattern von Maschinen, das Brummen von Galaxy-Racern und dem Klirren von Werkzeugen, und Kai war immer einer der Ersten, der auf dem Platz stand, bereit, seine Arbeit zu beginnen.

Zu Beginn hatte man ihm einfache Aufgaben zugeteilt: Reifen wechseln, Werkzeuge tragen, die Fahrzeuge reinigen. Es war eine undankbare Arbeit, aber Kai nahm sie mit einem stillen Stolz an. Er wusste, dass dies der Preis für seine Chance war, und er würde alles tun, um diese Möglichkeit zu nutzen.

Mit der Zeit hatte er sich die Anerkennung einiger Teammitglieder erarbeitet. Sie begannen, ihm mehr Verantwortung zu übertragen. Kai lernte schnell, mit den komplizierten technischen Systemen der Galaxy Racer umzugehen. Manchmal stand er stundenlang gebeugt über die Maschinen, verschwitzt und erschöpft, aber stets konzentriert. Seine Finger, die einst nur einfache Werkzeuge hielten, bewegten sich nun geschickt über die Schaltpläne und Sensoren, als hätte er nie etwas anderes getan.

Dennoch gab es Momente, in denen er sich überfordert fühlte. Die Technologie war hochentwickelt, und Fehler konnten schwerwiegende Konsequenzen haben. Doch jedes Mal, wenn Zweifel in ihm aufkamen, erinnerte er sich an seinen Einbruch in die Teilnehmerzone – an den Mut, den es gebraucht hatte, sich selbst diese Gelegenheit zu schaffen. Er hatte nicht viel zu verlieren, aber alles zu gewinnen.

Während seiner Mittagspausen saß Kai oft abseits, beobachtete die anderen Fahrer und Techniker. Sie sprachen über Rennen, Strategien und technische Details, die für ihn noch ein Rätsel waren. Doch er hörte aufmerksam zu, nahm jedes Detail auf, als würde er die Antworten auf die Prüfungen des Lebens in diesen Gesprächen finden. Es war nicht seine Welt – noch nicht. Doch er war fest entschlossen, ein Teil von ihr zu werden.

Abends, wenn der letzte Racer geparkt war und das Licht in der Werkstatt schwächer wurde, blieb Kai oft länger als alle anderen. Die Müdigkeit nagte an ihm, aber er konnte sich nicht dazu bringen, aufzuhören. Irgendwo in der Dunkelheit der Werkstatt sah er sein zukünftiges Selbst: ein Pilot, der die Strecke beherrscht, der den Staub der Vergangenheit hinter sich gelassen hat.

Am siebten Tag stand Kai mit ölverschmierten Händen inmitten der Garage, als Victor, der Teamchef von Reece Racing, auf ihn zukam. „Nicht schlecht, Junge“, sagte Victor knapp und klopfte ihm auf die Schulter. „Ich sehe, du gibst nicht auf. Vielleicht hast du doch das Zeug dazu.“

Kai erwiderte nichts, aber ein leises Lächeln huschte über sein Gesicht. Er wusste, dass es noch ein weiter Weg war, aber in diesem Moment spürte er, dass er einen weiteren kleinen Schritt in die richtige Richtung gemacht hatte.

Die Tage mochten hart sein, doch in der Stille der Nacht, wenn er auf seinem Bett in der kleinen Unterkunft lag, wusste Kai eines mit Gewissheit: Er war näher an seinem Traum als jemals zuvor.

 

Die Sonne stand hoch über Neu Archadia, als die Arbeiter bei Reece Racing ihrem Alltag nachgingen. Für Kai war es ein Tag wie jeder andere – jedenfalls schien es zunächst so. Er hatte sich in den Rhythmus seiner Aufgaben eingefunden und fühlte sich langsam in der Werkstatt heimisch. Doch heute lag eine seltsame Spannung in der Luft, als wäre etwas Ungewöhnliches im Gange.

Als Kai sich daran machte, einen der Galaxy Racer zu reinigen, bemerkte er, dass die Werkstatt ungewöhnlich leer war. Die Techniker, die normalerweise in ihren Gesprächen vertieft waren oder mit den Rennmaschinen hantierten, waren verschwunden. Das Brummen der Maschinen, das sonst allgegenwärtig war, war verstummt. Nur das leise Summen der Klimaanlage erfüllte die Stille.

Kai runzelte die Stirn und ließ den Schwamm in seiner Hand sinken. Etwas stimmte nicht. Er wischte sich die Hände an einem alten Tuch ab und ging zum Haupteingang der Werkstatt. Die großen Schiebetüren waren geöffnet, und draußen stand eine Gruppe von Menschen. Unter ihnen erkannte er Victor, der mit ernster Miene auf den Vorplatz blickte.

„Was ist hier los?“ murmelte Kai, während er sich näher an die Tür schlich, um einen besseren Blick zu bekommen.

Da sah er es: Ein Konvoi von schwarzen, glänzenden Fahrzeugen näherte sich langsam dem Reece Racing Hauptquartier. Die Fahrzeuge waren anders als alles, was Kai je gesehen hatte – schlank, futuristisch und mit dem Wappen des Vereinten Erdenbündnisses auf der Seite. Als die Wagen vor dem Eingang zum Stehen kamen, stieg aus dem vordersten Fahrzeug eine Gestalt aus, die sofort die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich zog.

Kai erkannte ihn sofort: Es war der Präsident des VEB, der mächtigste Mann der Erde. Seine Ankunft ließ die Zeit für einen Moment stillstehen. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Er war nicht nur der politische Anführer, sondern das Gesicht einer vereinten Menschheit, die sich nach dem Krieg gegen die Thoronites erholt hatte und nun wieder nach den Sternen griff. Kai hatte den Präsidenten nur in den Nachrichten gesehen, aber ihn hier, direkt vor sich, in Fleisch und Blut zu sehen, war eine vollkommen andere Erfahrung.

Der Präsident war groß, mit einer würdevollen Haltung und durchdringenden Augen, die den Raum zu erfassen schienen, als er aus dem Fahrzeug trat. Um ihn herum schwirrten Sicherheitskräfte in schwarzen Anzügen, die seine Ankunft mit kühler Präzision absicherten. Ein weiterer Mann, ein enger Berater des Präsidenten, hielt eine schwere Metallmappe in der Hand, während er dicht hinter ihm herging.

„Das ist nicht normal“, flüsterte Kai und trat unauffällig zurück in den Schatten der Werkstatt. Was machte der Präsident des VEB hier, bei Reece Racing? Irgendetwas stimmte nicht, und Kai konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass diese Begegnung weit mehr bedeutete, als es den Anschein hatte.

Victor trat nach vorn und begrüßte den Präsidenten mit einem festen Händedruck. Obwohl Victor normalerweise die Ruhe selbst war, schien auch er etwas nervöser als sonst. Kai konnte die Worte der beiden nicht hören, aber an der Körpersprache war klar zu erkennen, dass dies kein gewöhnliches Gespräch war.

Kai ließ seinen Blick über die Szenerie gleiten. Die Präsenz des VEB-Präsidenten deutete darauf hin, dass etwas Großes im Gange war – etwas, das weit über das tägliche Geschäft bei Reece Racing hinausging. In seinem Inneren brodelte die Neugier. Er wollte mehr wissen. Was könnte so wichtig sein, dass der Anführer des Erdenbündnisses höchstpersönlich hier auftauchte?

Er bewegte sich lautlos entlang der Werkstattwand, darauf bedacht, nicht entdeckt zu werden. Die Menschen draußen waren zu sehr auf den Präsidenten und Victor fixiert, als dass sie ihn bemerken würden. Kai erreichte eine Seitentür, die in den Konferenzbereich des Hauptquartiers führte. Wenn das Gespräch irgendwo weitergeführt wurde, dann dort. Er hatte ein paar Mal in diesem Bereich geholfen, und die Räume waren nur selten besetzt.

Leise öffnete er die Tür und schlüpfte in den kühlen, schwach beleuchteten Flur. Seine Schritte hallten kaum auf dem Boden wider, während er sich vorwärtsbewegte. Kai fühlte sich wie ein Eindringling, aber die drängende Neugier ließ ihm keine Wahl. Er musste herausfinden, was vor sich ging.

Er hatte sich gerade einige Meter weitergeschlichen, als er plötzlich Stimmen und Schritte hörte. Victor und der Präsident des VEB näherten sich, begleitet von Beratern und Sicherheitsleuten. Panik stieg in ihm auf – es gab kaum Versteckmöglichkeiten in diesem schmalen Flur. Verzweifelt suchte er nach einem Weg, sich zu verbergen, und entdeckte eine unauffällige Tür am Ende des Flurs. Er riss sie leise auf und schlüpfte hastig hinein.

Zu seiner Erleichterung stellte sich der Raum als kleiner Putzraum heraus, der direkt an den Besprechungsraum angrenzte. Zwischen Regalen voller Reinigungsmittel und einem alten Wischmopp kauerte Kai sich hin. Sein Herz pochte laut in seiner Brust, als er die Tür einen winzigen Spalt offenließ, um einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen.

Victor und der Präsident traten durch die große Tür in den Besprechungsraum, gefolgt von den Beratern und Wachen. Kai konnte von seiner Position aus nicht viel sehen, aber er hörte, wie sich die Männer im Raum niederließen. Von seinem Versteck aus konnte er ihre Stimmen gedämpft hören, doch es war schwer, alles genau zu verstehen.

Der Putzraum war klein, stickig und vollgestellt mit Putzutensilien, die ihm kaum Bewegungsfreiheit ließen. Doch Kai wusste, dass er jetzt ruhig und still bleiben musste. Er drückte sein Ohr gegen die dünne Wand, die den Putzraum vom Besprechungszimmer trennte, und lauschte. Die Stimmen wurden deutlicher, und er konnte Teile des Gesprächs auffangen.

„…stehen vor einer kritischen Phase,“ hörte er den Präsidenten sagen. „Das VEB braucht ein Team, das uns nicht nur repräsentiert, sondern unsere Position in der Galaxie stärkt. Die interplanetaren Wettkämpfe haben nicht mehr nur symbolischen Wert. Es geht um weit mehr als Ruhm. Es geht um unsere Zukunft.“

Kai versuchte, einen besseren Blick zu erhaschen, doch der Raum war zu eng und er wollte nichts riskieren, was seine Position verraten könnte. Also verharrte er still, seine Muskeln angespannt, während er weiter dem Gespräch lauschte.

„Sie wollen also, dass Reece Racing für das VEB fliegt?“, hörte er Victor mit ruhiger, aber ernster Stimme fragen. Die Spannung in seinen Worten war unüberhörbar, und Kai konnte das Gewicht dieser Frage spüren.

Der Präsident machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr. „Eigentlich brauchen wir nur Sie. Das nächste große intergalaktische Rennen wird über weit mehr entscheiden, als die meisten wissen. Wenn wir gewinnen, sichern wir nicht nur unseren Platz im galaktischen Rat. Wir gewinnen Einfluss, Ressourcen und Sicherheit. Aber verlieren wir…“ Er hielt inne, als würde er die Schwere seiner Worte betonen. „Verlieren wir, riskieren wir alles.“

Kai schluckte schwer, als er die Bedeutung dessen begriff, was er gerade gehört hatte. Das VEB setzte alles auf dieses Rennen, und Reece Racing sollte das Team sein, das die Zukunft der Menschheit in den Händen hielt.

Victor lehnte sich zurück und fuhr sich nachdenklich über das Kinn. „Und was erwarten Sie von uns?“, fragte er schließlich. „Reece Racing ist gut, aber das hier klingt, als wäre es weitaus gefährlicher als jedes Rennen, das wir bisher geflogen sind.“

Der Präsident nickte. „Es wird gefährlich sein, ja. Doch wir haben keinen Raum für Zweifel. Wir brauchen die Besten, und Sie haben bewiesen, dass Sie an der Spitze stehen. Was wir nun brauchen, ist eine Garantie, dass wir nicht scheitern.“

Die Spannung im Raum war fast greifbar, und Kai spürte, wie sein Herz schneller schlug. Das war weit größer, als er jemals erwartet hatte. Er dachte an die vergangenen Tage, an seine harte Arbeit und seinen Traum, ein Galaxy Racer zu werden. Sollte dies wirklich die Gelegenheit sein, nach der er sich so sehr sehnte? Ein intergalaktisches Rennen – das klang nach der Chance seines Lebens. Doch es war auch gefährlicher, als er es sich jemals ausgemalt hatte.

„Wir werden darüber nachdenken“, sagte Victor schließlich und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, die Stirn gerunzelt, als er den Präsidenten des VEB musterte. Die Stille im Raum war drückend, das leise Surren der Klimaanlage das einzige Geräusch, das die Spannung durchbrach. Kai, der noch immer im Putzraum versteckt war, hielt den Atem an. Das Gespräch, das er bis jetzt belauscht hatte, hatte bereits genug Geheimnisse enthüllt, um ihm den Atem zu rauben – aber er spürte, dass noch mehr kommen würde.

Der Präsident atmete tief ein, seine Augen zeigten die Müdigkeit eines Mannes, der mehr Geheimnisse trug, als er je preisgeben wollte. „Victor,“ begann er, seine Stimme leise und eindringlich, „wir haben keine Zeit mehr.“ Er ließ die Worte im Raum hängen, ihre Bedeutung unausgesprochen, aber klar wie Glas.

Victor zog eine Augenbraue hoch. „Keine Zeit mehr?“, fragte er, wobei seine Stimme eine Spur von Skepsis verriet. „Für was genau, Mr. Präsident? Sie kommen hierher, ohne Vorwarnung, und verlangen, dass ich an einem intergalaktischen Wettkampf teilnehme, der über das Schicksal der Erde entscheidet. Was verschweigen Sie mir?“

Der Präsident schwieg einen Moment, sein Blick fest auf Victor gerichtet. „Ich bedauere das überstürzte Auftauchen“, sagte er langsam, „aber es gab... unvorhergesehene Entwicklungen. Der Pilot und Teamchef, den wir eigentlich ausgewählt hatten, ist... nicht mehr verfügbar.“ Er hielt kurz inne, als ob die Worte ihn mehr kosteten, als er zeigen wollte. Seine Augen flackerten, und für einen Moment schien es, als ob er von einem tiefen, schmerzlichen Verlust sprach.

Victor hob den Kopf und starrte den Präsidenten an. „Nicht verfügbar?“, wiederholte er mit schneidender Stimme. „Sie meinen, er hat sich entschieden, doch nicht mitzumachen? Oder ist etwas Schlimmeres passiert?“ Es lag eine Schärfe in seiner Stimme, die den Raum durchdrang. Kai spürte, wie sein Herz schneller schlug. Er konnte die Andeutung hinter den Worten hören, aber niemand sprach sie aus.

Der Präsident seufzte, und sein Gesicht schien um Jahre gealtert. „Ich werde es nicht schönreden, Victor. Der Mann, den wir ausgewählt hatten, war der Beste. Er hatte alles, was wir brauchten – Erfahrung, Mut und die Fähigkeit, eine Mannschaft zu führen. Doch gestern... hat der Druck doch gewonnen. Es ist etwas Schlimmes passiert, dass dazu geführt hat, dass er nicht mehr teilnehmen kann und will“ Diese Worte fielen leise, fast flüsternd, und Kai fühlte einen kalten Schauer über seinen Rücken laufen. Er konnte kaum glauben, was er gerade gehört hatte.

Victor schwieg, ließ die Worte des Präsidenten in sich wirken. Er schloss kurz die Augen und atmete tief durch. „Und das verheimlichen Sie der Öffentlichkeit?“, fragte er schließlich, seine Stimme nun wieder kontrolliert. „Ist das der Grund, warum Sie plötzlich hier sind?“

Der Präsident nickte knapp. „Wir können es uns nicht leisten, Panik zu verbreiten. Der Druck auf diesen Mann... war zu groß. Und wir haben nicht die Zeit, einen geeigneten Ersatz zu finden. Deswegen brauchen wir Sie, Victor. Einen Teamführer. Sie kennen die besten Piloten, die die Erde zu bieten hat.“

Victor sah den Präsidenten lange an, als würde er versuchen, seine wahren Absichten zu durchschauen. „Das ist nicht alles, oder?“, sagte er leise. „Da steckt noch mehr dahinter. Ich kann es fühlen. Sie erzählen mir nicht alles.“

Der Präsident schwieg. Ein dunkler Schatten schien sich über sein Gesicht zu legen, als er die Hände auf den Tisch legte und mit leiser Stimme zu sprechen begann. „Vor fünfzehn Jahren“, begann er, „erschien etwas... etwas, das jenseits unseres Verständnisses liegt.“ Seine Augen wanderten zu Victor, als wollte er sicherstellen, dass seine Worte die nötige Schwere trugen. „Ein Wesen, das sich selbst ‚Eon‘ nannte.“

Kai, der alles aus seinem Versteck mithörte, runzelte die Stirn. „Eon?“ Er hatte von vielen mysteriösen Geschichten gehört, doch das klang nach etwas Größerem, etwas Bedrohlicherem.

„Der Eon“, wiederholte der Präsident, „war... ist... eine Macht, die wir bis heute nicht verstehen. Es erschien aus dem Nichts, während die Erde noch tief im Krieg mit den Thoronites steckte. Sie müssen sich erinnern, Victor – der Krieg schien verloren. Die Thoronites waren übermächtig. Sie hatten bereits die Außenposten und Kolonien zerstört und standen kurz davor, die Erde zu erobern.“

Victor nickte langsam, seine Augen konzentriert auf den Präsidenten gerichtet. „Ja, jeder, der damals lebte, erinnert sich.“, es lag eine schwere in seiner Stimme, als Erinnerungsblitze ins Viktors Gedächtnis auftauchten.

„Und genau in diesem Moment, als wir kurz davor waren, alles zu verlieren, tauchte der Eon auf“, fuhr der Präsident fort. „Es erschien vor den Anführern der VEB und sprach von einem... Rennen. Einem intergalaktischen Wettkampf, der über das Schicksal ganzer Zivilisationen entscheiden würde. Ein Rennen, das uns die Macht geben würde, uns selbst zu retten.“

Kai konnte es kaum glauben. Ein Rennen, das über das Schicksal der Menschheit entschied? Es klang wie ein Märchen, wie eine Geschichte aus einem längst vergessenen Zeitalter. Doch die Ernsthaftigkeit in der Stimme des Präsidenten ließ keinen Zweifel daran, dass es real war.

„Der Eon“, fuhr der Präsident fort, „war unglaublich mächtig. Es stoppte den Krieg mit einer bloßen Geste. Die Thoronites, die bis dahin unaufhaltsam waren, zogen sich zurück. Ein Waffenstillstand wurde ausgerufen – bis das Rennen beendet ist.“ Der Präsident lehnte sich zurück, sein Blick tief in Gedanken. „Wir haben seitdem in einer trügerischen Sicherheit gelebt. Doch nun nähert sich das Rennen, und wir sind nicht vorbereitet.“

Victor runzelte die Stirn. „Was genau verlangt dieses Rennen von uns?“ Victor hatte noch einige Fragen mehr in seinem Kopf, am präsentesten war die Frage, warum die Lüge verbreitet wurde, die Thoronites waren besiegt wurden, doch er schieb diese Fragen hinten an. Dies war nicht die Zeit, um über politische Entscheidungen zu diskutieren.

Der Präsident sah ihn direkt an. „Es ist nicht nur ein Wettkampf der Geschicklichkeit oder des Könnens. Es geht um mehr. Es geht um die Existenz von ganzen Welten. Der Preis für den Sieger ist Unverwundbarkeit – eine Macht, die alles verändert. Doch sollten wir verlieren...“ Er hielt inne, als ob er die Worte kaum aussprechen konnte. „Sollten wir verlieren, gibt es nichts, was uns vor den Gefahren im All schützen kann.“

Victor schnaubte, seine Stirn in Falten. „Und warum erzählen Sie mir das jetzt erst?“

Der Präsident seufzte tief. „Weil wir sicherstellen wollten, dass Sie nicht auch dem Druck nachgeben. Der Druck auf dem ausgewählten Team ist unermesslich. Der Pilot, den wir verloren haben, konnte diese Last nicht tragen.“

„Und jetzt kommen Sie zu mir.“ Victor lehnte sich vor, seine Augen kalt und berechnend. „Weil Sie denken, dass ich jemanden finde, der so verrückt ist, diese Verantwortung auf sich zu nehmen.“

„Ja“, antwortete der Präsident schlicht. „Wir brauchen Sie, Victor. Ihre Erfahrung. Ihre Verbindungen. Sie haben das Wissen und die Fähigkeiten, jemanden zu finden, der nicht nur das Rennen fliegen kann, sondern auch bereit ist, alles zu riskieren. Sie kennen die besten Piloten – und wir brauchen den besten. Jemanden, der den Willen hat zu gewinnen. Sie haben in unzähligen Meisterschaften bewiesen, dass sie es können“

Kai konnte kaum glauben, was er hörte. Dies war weit mehr als ein einfaches Rennen. Es ging um das Überleben der Menschheit, um die Zukunft aller. Seine Gedanken rasten. Konnte er – oder jemand, den Victor auswählte – die Last dieses Rennens tragen?

Victor trat ans kleine Fenster im Besprechungsraum. Er sah hinaus auf den Vorplatz von Reece Racing, wo die Fahrzeuge des Präsidenten noch immer standen. Einen Moment lang schien er in Gedanken versunken, dann drehte er sich langsam um, lehnte sich ans Fenster, seine Hände verschränkt, und musterte den Präsidenten mit einem Blick, der sowohl Nachdenklichkeit als auch Widerwillen zeigte. Kai konnte förmlich spüren, wie schwer die Worte wogen, die Victor auf der Zunge lagen, und er drückte sein Ohr noch näher an die Wand des Putzraums, um kein Detail zu verpassen.

„Es gibt nur eine Person, die dieses Rennen fliegen könnte,“ begann Victor langsam. Seine Stimme war tief und rau, als ob die bloße Erwähnung ihres Namens alte Wunden aufriss. „Amelia Reece.“

Der Präsident hob eine Augenbraue und nickte kaum merklich. „Deine Ex-Frau.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Der Raum schien sich für einen Moment zu verengen, als die Worte zwischen den beiden Männern hingen. Victor wich dem durchdringenden Blick des Präsidenten nicht aus, doch in seinen Augen lag eine Anspannung, die Kai noch nie bei ihm gesehen hatte.

„Ja,“ sagte Victor knapp. „Vor dem Angriff der Thoronites war sie die Beste. Eine Starpilotin, unschlagbar. Sie hat Rennen gewonnen, von denen andere nur träumen konnten. Es gab niemanden, der es mit ihr aufnehmen konnte.“ Seine Stimme schwankte zwischen Stolz und Bitterkeit, als er von ihr sprach. „Und ich war nicht nur ihr Mann – ich war ihr Manager. Wir waren ein Team, das keiner besiegen konnte.“

Der Präsident verschränkte die Hände vor sich auf dem Tisch. „Was ist dann passiert?“ fragte er, obwohl er die Antwort wahrscheinlich kannte. Es war eine rhetorische Frage, eine Aufforderung, die Geschichte zu vervollständigen.

Victor seufzte tief, und für einen Moment schien es, als würde er den Raum, die Situation und den Präsidenten vergessen, als wäre er tief in der Vergangenheit verloren. „Die Thoronites kamen“, begann er leise, „und alles änderte sich. Amelia... sie hat alles verloren... Ich hätte sie schützen sollen. Aber der Krieg war gnadenlos.“

Ein schweres Schweigen legte sich über den Raum, nur das leise Brummen der Klimaanlage durchbrach die Stille. Kai hielt den Atem an, gefangen in der emotionalen Spannung, die sich wie ein dichter Nebel um die beiden Männer gelegt hatte.

„Seitdem haben wir nicht mehr miteinander gesprochen“, fügte Victor hinzu, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Ich habe mein Rennteam gegründet und mich in die Arbeit vergraben. Sie ist weggegangen, hat alles hinter sich gelassen. Jetzt lebt sie irgendwo in der Wüste, südlich der Stadt. Sie fährt an Wüstenrennen teil, gefährliche Rennen, die niemand wirklich ernst nimmt, aber für sie ist es alles. Sie wollte nie zurück in diese Welt.“

Der Präsident lehnte sich nach vorne, seine Augen fixierten Victor. „Aber du glaubst, sie wäre die Richtige für dieses Rennen?“

Victor nickte langsam, zögerlich. „Ja, sie ist die Beste. Es gibt niemanden wie Amelia. Aber...“ Er hielt inne, und ein Hauch von Unsicherheit durchzog seine Worte. „Ich bin nicht sicher, ob sie mitmachen würde. Vor allem nicht, wenn ich es bin, der sie fragt.“

Der Präsident runzelte die Stirn und lehnte sich zurück, als würde er die Informationen in sich aufnehmen und abwägen. „Amelia Reece, die Starpilotin, bevor alles zusammenbrach, also“ sagte er leise, mehr zu sich selbst als zu Victor. Dann hob er den Blick. „Ich glaube, sie wird überzeugt werden können.“

Victor lachte bitter auf, doch es war kein fröhliches Lachen. „Sie ist stur, Mr. Präsident. Und was noch wichtiger ist – sie hasst mich. Sie wird nicht auf mich hören, selbst wenn ich sie anflehe. Und wenn sie erfährt, dass ich in dieses Rennen verwickelt bin, wird sie sicher noch weniger Interesse haben.“

Der Präsident nickte verstehend, blieb jedoch entschlossen. „Vielleicht nicht. Aber wenn wir ihr klarmachen, was auf dem Spiel steht... und dass wir sie brauchen, nicht nur wegen des Rennens, sondern wegen der Menschheit, dann denke ich, wird sie zuhören. Jeder hat einen Preis, Victor.“

Victor schnaubte leise, als würde er die Worte des Präsidenten anzweifeln. Doch die Schwere des Moments ließ ihm keine andere Wahl, als zuzustimmen. „Wenn Sie sie finden wollen, suchen Sie sie.“

Der Präsident schwieg einen Moment, bevor er nickte. „Ich werde sie finden“, sagte er, seine Stimme voller Überzeugung. „Und sie wird verstehen, warum wir sie brauchen. Wenn es jemanden gibt, der das Schicksal der Menschheit in die Hand nehmen kann, dann ist es sie.“

Victor wollte etwas erwidern, doch in diesem Moment wurde die Tür des Besprechungsraums geöffnet. Ein Mann, vermutlich ein Mitarbeiter des Präsidenten, trat ein. Er war hochgewachsen, mit einem ernsten Gesichtsausdruck und einer militärischen Haltung. „Das Team ist jetzt angekommen, Sir“, sagte er knapp und formell.

Der Präsident nickte und erhob sich langsam. „Gut“ sagte er leise. „Lass sie herein.“ Dann wandte er sich noch einmal an Victor. „Das ist unsere Chance. Und wir werden Amelia überzeugen – das verspreche ich Ihnen.“ Victor sagte nichts, doch in seinen Augen lag eine tiefe Besorgnis, die ihn schwerer atmen ließ.

Währenddessen betrat eine kleine Gruppe von Leuten den Raum. „Kingsley, suchen sie Amelia Reece auf und bringen Sie sie zu mir“, sagte der Präsident zu seinem Mitarbeiter, welcher nickte und den Raum genauso schnell verließ, wie er ihn betreten hatte.

 

Die Tür des Besprechungsraums öffnete sich erneut, und eine kleine Gruppe von Menschen trat ein. Kai, noch immer versteckt im Putzraum, traute sich näher an die Tür zu schleichen, um so viel wie möglich zu sehen und zu hören. Seine Gedanken rasten. Er wusste, dass dies entscheidend war, dass er jetzt alles verstehen musste, was vor sich ging.

Der Präsident wies auf die eintretenden Personen. „Victor, lass mich dir das Team vorstellen“, begann er mit einem Ton, der sowohl Autorität als auch Dringlichkeit vermittelte. „Ich habe das letzte Jahr damit verbracht, diese Mannschaft zusammenzustellen. Sie sind die Besten auf ihren Gebieten.“

Victor beobachtete aufmerksam, als die erste Person vortrat. Eine junge Frau, vielleicht Mitte zwanzig, mit blasser Haut und nachdenklichen Augen. Sie bewegte sich vorsichtig, fast schüchtern, und ihre Hände umklammerten den Saum ihrer Jacke, während sie sich mit einem leichten Nicken vorstellte. „Das ist Liora“, erklärte der Präsident. „Sie war in der Strategieabteilung des Militärs tätig. Eine brillante Denkerin, die unsere Rennstrategie entwickeln wird.“

Liora nickte zögerlich, ihre Augen vermieden den direkten Blickkontakt mit Victor. Ihre schüchterne Haltung war nicht zu übersehen. „Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Mr. Reece“, sagte sie leise, fast flüsternd. Kai konnte die Unsicherheit spüren, die in ihrer Stimme mitschwang, doch es war auch offensichtlich, dass sie extrem fähig sein musste, sonst wäre sie nicht Teil dieses Teams. Sie wirkte wie jemand, der lieber im Hintergrund agierte, aber in Krisenmomenten den entscheidenden Plan entwickeln konnte.

Neben Liora trat eine zweite Frau hervor, die ihr wie ein Spiegelbild glich, aber in jeder anderen Hinsicht das Gegenteil zu sein schien. Nyx, ebenfalls Mitte zwanzig, stand aufrecht, ihre Augen funkelten selbstsicher und entschlossen. Ihre Haltung war straff und diszipliniert, fast militärisch – es war klar, dass sie sich in keiner Situation unterkriegen ließ.

„Und das ist Nyx“, fuhr der Präsident fort. „Ihre Zwillingsschwester und eine der besten Soldaten, die das Militär je gesehen hat. Sie wird für den Schutz des Teams verantwortlich sein.“ Nyx warf Victor einen festen Blick zu, als sie ihm die Hand reichte. Ihr Griff war stark, ihre Haltung unverrückbar.

„Freut mich, Sie kennenzulernen“, sagte sie mit fester Stimme. „Ich werde sicherstellen, dass wir nicht nur durchkommen, sondern gewinnen.“ Die Selbstsicherheit in ihrer Stimme ließ keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit. Nyx wirkte wie jemand, der sich auf das Gefährlichste vorbereitete und bereit war, alles zu riskieren, um das Ziel zu erreichen.

Victor sah kurz zwischen den beiden Schwestern hin und her und konnte den Kontrast kaum übersehen. Auf der einen Seite die stille und zurückhaltende Liora, auf der anderen die unerschütterliche und kampfbereite Nyx – ein faszinierendes Gespann. Optisch unterschied die beiden lediglich die auffälligen Haarsträhnen. Liora mit ihren sanften Blautönen, die ihre ruhige Art unterstrichen, und Nyx mit ihren lebendigen, violetten Akzenten, die ihre Entschlossenheit und Stärke hervorhoben.

„Das Team scheint gut durchdacht“, sagte Victor, wobei sein Blick noch einmal kurz auf Liora verweilte, bevor er weitersprach. „Aber wir brauchen mehr als Strategie und Verteidigung. Der Galaxy Racer muss perfekt sein.“

Der Präsident nickte, bevor er zwei weitere Männer vorstellte, die hinter den Zwillingen in den Raum traten. Beide Männer waren in ihren Dreißigern, mit erfahrenen, ölverschmierten Händen und den Gesichtern von Leuten, die viele Stunden in Werkstätten verbracht hatten. „Das hier sind Toby und Kyle“, erklärte der Präsident. „Sie sind die Mechaniker, die den speziellen Galaxy Racer für dieses Rennen gebaut haben.“

Toby, der größere von beiden, schob seine Brille hoch und nickte Victor mit einem verschmitzten Lächeln zu. „Wir haben etwas erschaffen, das Sie noch nie gesehen haben“, sagte er mit einem Anflug von Stolz. „Schneller, stärker und mit einem zusätzlichen Geschützturm für Nyx ausgestattet. Es wird das stärkste Gefährt auf der Strecke sein.“

Kyle, der etwas Ernstere der beiden, nickte bestätigend. „Wir haben jedes Detail auf den Punkt gebracht. Das Fahrzeug wird in der Lage sein, unter allen Bedingungen zu überleben – egal, was auf uns zukommt.“

Victor sah die beiden Männer prüfend an, bevor er wieder sprach. „Also habt ihr einen Racer gebaut, der sowohl Geschwindigkeit als auch Verteidigung vereint. Aber ohne den besten Piloten...“

Der Präsident trat einen Schritt näher und unterbrach Victor mit ruhiger Stimme. „Genau deshalb brauchen wir Amelia. Ohne sie wird all das nicht funktionieren. Sie ist die Einzige, die dieses Rennen fliegen kann.“

Victor atmete tief durch, seine Stirn gerunzelt. „Und Sie glauben wirklich, dass sie mitmachen wird?“ Seine Stimme verriet seine Zweifel.

„Ich bin sicher, dass sie versteht, was auf dem Spiel steht“, erwiderte der Präsident fest. „Wir haben keine Wahl, Victor. Wir müssen sie überzeugen.“

Kai, der immer noch angespannt im Putzraum kauerte, hörte aufmerksam zu. Sein Herz raste, während er versuchte, all die Informationen zu verarbeiten. Ein Team von Elitekräften, ein speziell gebauter Galaxy Racer, und Amelia, die einzige Hoffnung, die Menschheit zu retten – das war größer, als er es sich je hätte vorstellen können.

„Das Team wird morgen früh abgeholt“, sagte der Präsident schließlich. „Eine Eskorte wird sie vom Hauptquartier von Reece Racing abholen, um Amelia und den Racer zu holen. Das Team wird ihnen die weiteren Einzelheiten erklären. Es gibt keine Zeit zu verlieren.“

Victor nickte langsam, aber seine Augen verrieten, dass er noch immer Bedenken hatte. „Und wenn sie nicht kommt?“ fragte er, seine Stimme war jetzt ruhiger, fast resigniert.

„Wir müssen es versuchen“, entgegnete der Präsident fest. „Es gibt keine andere Option.“

Während die Gruppe sich bereit machte, den Raum zu verlassen, spürte Kai, dass dies seine Gelegenheit war. Er konnte nicht länger nur zusehen, wie sich die Dinge entwickelten – er musste ein Teil davon werden. Wenn er es schaffte, sich in den Konvoi zu schleichen, konnte er vielleicht eine Rolle in diesem Rennen spielen, eine Rolle, die ihn näher an sein Ziel bringen würde.

„Ich muss dabei sein“, dachte Kai entschlossen. Dies war seine Chance – die Gelegenheit, die er immer gesucht hatte. Auch wenn er nicht wusste, was ihn erwarten würde, er war bereit, alles zu riskieren.

Als die Gruppe den Raum verließ, schlich sich Kai leise aus seinem Versteck und begann, seinen Plan für den nächsten Morgen zu schmieden. Er wusste, dass es gefährlich war, aber das Risiko war es wert. Morgen würde er eine neue Welt betreten – eine, die ihn entweder in den Abgrund oder zu seinem Traum führen würde.

 

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