Donnerstag, 8. Juli 1790

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Glandera

Die Mineure hatten Feuer in den Tunneln entzündet und anschließend das Gestein mit kaltem Wasser abgeschreckt. Das helle Klopfen vieler Meißel auf bröckelige Wände erfüllte die Mine. Die Quarzsucherin arbeitete mit zusammengepressten Lippen daran, die goldhaltigen Quarzstücke aus dem Basalt zu holen. Trotz der Wetterlöcher stank es noch immer nach kaltem Rauch.

„Glandera? Du sollst zum Vorarbeiter kommen“, brüllte der Kollege gegen den Lärm an.

Ihr Klumpen landete in der Kipplore, bevor sie sich umdrehte. Mit dem Daumen zeigte er in Richtung Ausgang. Sie nickte nur. Sorgsam packte sie ihr Werkzeug zusammen und ging zurück ans gleißende Tageslicht.

 

Vorarbeiter Zulkis starrte auf ihren Oberkörper, während sie sich näherte. Erst als sie vor ihm stand, sah er ihr in die Augen. „Glandera, du hast Glück. Du kannst heute deiner Mutter auf dem Markt helfen.“

Langsam öffnete sich ihr Mund, bevor sie energisch den Kopf schüttelte. „Aber … dann bekomme ich heute keinen Lohn.“

Zulkis spuckte auf den Boden. „Ich werde dich trotzdem bezahlen.“

„Nein, ich bleibe. Ich … ich werde noch länger und härter arbeiten, wenn Sie das verlangen. Ich brauche diese Stelle!“

Seine Mundwinkel hoben sich zu einem schiefen Lächeln und er reckte sein Kinn. Langsam kam er näher und flüsterte: „Vielleicht schenkst du mir dann zukünftig mehr Aufmerksamkeit.“ Er zwinkerte. „Heute wirst du auf dem Markt arbeiten. Aber du solltest dich vorher umziehen.“ Sein Blick wanderte erneut über ihren Körper. „Morgen sehen wir uns wieder.“

„Ist etwas mit Großmutter?“ Glandera hielt ihr Werkzeug fest in der Hand, drehte sich auf dem Absatz um und rannte nach Hause.

 

Die Haustür flog auf. „Großmutter?“

„Wir sind oben.“

Es war Arnos Stimme. Das Werkzeug glitt klirrend zu Boden und Glandera rannte die Stufen hoch. Ohne zu klopfen, öffnete sie die Zimmertür. „Was ist passiert?“

„Was soll passiert sein?“ Fassungslos starrte Arno seine Schwester über ein Buch hinweg an. „Ich lese ihr aus der Bibel vor, wie immer.“

Gladis strahlte. „Liebes, schön dich zu sehen.“

„Ihr geht es gut?“ Keuchend stand Glandera in der Zimmertür.

„Das siehst du doch. Was machst du hier? Musst du nicht arbeiten?“

Sie presste kurz die Lippen zusammen und trat näher. „Der Vorarbeiter hat mir bezahlt freigegeben, damit ich Mutter auf dem Markt helfen kann.“

Arno nickte anerkennend. „Das ist großzügig von ihm.“

Glanderas Nicken ging in ein Kopfschütteln über, während sie nachdachte. Ja, eben das war es, was sie stutzig machte. Zulkis war nicht großzügig, sondern stets auf seinen Vorteil bedacht. Sie fragte sich, was er im Schilde führte. Liebevoll streichelte sie ihrer Großmutter über die faltige Wange. „Ich werde zu Mutter auf den Markt gehen und helfen. Wir sehen uns heute Nachmittag.“

„Mach das“, stimmte Arno zu. „Kannst du einen Moment auf sie aufpassen? Dann mache ich ihr noch einen Pfefferminztee.“

„Natürlich. Ich lasse die Zimmertür offen, während ich mich umziehe.“

Zum Abschied tätschelte Gladis ihre Hand und sah ihr nach.

 

Mit einem leichten Leinenkleid und einer hellen Schleife im geflochtenen Zopf ging sie in die Stadt, denn Glandera hatte gelernt, dass man hübsch angezogen mehr Aufmerksamkeit auf sich zog.

Schon von Weitem hörte sie ungewöhnlichen Lärm. Menschen jubelten und klatschten in die Hände. Sie bog um die Ecke und erblickte ein langes Seil in luftiger Höhe, das zwischen den Fachwerkhäusern über den Platz hinweg gespannt worden war. Grazil balancierte eine junge Akrobatin darüber, als ob sie ihr ganzes Leben nichts anderes gemacht hätte.

Glandera schüttelte sich. Niemals würde sie sich in solch luftige Höhen wagen.

Eine weitere Gruppe Artisten führte am Ende der Gasse Kunststücke auf. Die Straßenkünstler wurden hoch in die Luft geworfen, drehten Saltos und landeten mit ausgestreckten Armen sicher auf den Schultern des Partners. Die Quarzsucherin sah weg. Bei den halsbrecherischen Figuren stellten sich ihr die Nackenhaare auf.

Schnell entdeckte sie ihre Mutter mit dem großen Korb voller Wollknäuel zwischen den Ständen. In der rechten Hand hielt sie eine der Kugeln, um die Aufmerksamkeit auf die Waren zu lenken. Kaum jemand schenkte ihr Beachtung, da die meisten Hausfrauen ihre Wolle selbst spannen.

Ungläubig schaute Hilde sie an. „Glandera, was machst du denn hier?“

„Zulkis hat mir freigegeben, damit ich dir beim Verkauf helfe.“

Ihre Mutter lächelte. „Das ist aber freundlich von ihm. Heute brauche ich deine Hilfe wirklich.“ Sie verdrehte die Augen und zeigte auf die Künstler, bevor sie ihr einen Knäuel reichte.

Nachdenklich wog ihn Glandera in der Hand. „Ja, das ist es.“ Dann streckte sie ihren Arm hoch und rief laut: „Feinste Wolle und Leinen. Beste Handwerkskunst. Nutzen Sie die Gelegenheit.“

Ferron

Erzmagus Ferron betrachtete die Quarzsucherin aus einiger Entfernung. Sie war etwas kleiner als ihre Mutter und hatte dieselbe dunkelbraune Haarfarbe. Ihr Zopf baumelte hin und her, während sie barfuß, hüpfend das Knäuel präsentierte.

Schlicht gekleidet hatte er sich mit unter das Volk gemischt – ohne Insignien, denn sonst hätte er zu viel Ehrerbietung erhalten.

Ein Schmunzeln lag auf seinen Lippen, als er Glanderas Gedanken las. Das Unverständnis, das sie den Luftakrobaten entgegenbrachte, sprach für seine These, denn sie turnten in ihrem gegensätzlichen Element. Für Ferron war es ein Leichtes gewesen, die Artisten der Magierakademie zu überzeugen, heute ihr Training auf dem Marktplatz zu absolvieren. Etwas mehr Überzeugungsarbeit hatte es gebraucht, damit auch sie sich nicht als Magier zu erkennen gaben.

Ferron suchte den Blickkontakt mit dem Magister der Gruppe. Langsam nickte er ihm zu.

Glandera

„Kaufen Sie Wolle. Beste Qualität.“ Erleichtert atmete Glandera auf, als die Artisten Pause machten. Bisher hatte niemand ihrer Ware Aufmerksamkeit geschenkt. Sie trat auf den Weg, inmitten des Besucherstromes, und hielt sie in die Menge. Doch die Passanten schüttelten ihre Köpfe, als sie an ihnen vorbeigingen, oder winkten ab. Resigniert senkte sie den Arm. Dann bemerkte sie, wie sich die Gruppe Artisten in Bewegung setzte.

Hildes Finger zeigte in die Richtung. „Die kommen doch nicht etwa herbei?“

„Tatsächlich. Wenn sie bei uns ihre Vorführung machen, wird uns niemand mehr beachten.“ Mit gesenkten Schultern sah sich Glandera um. „Wir müssen den Platz wechseln. Dort, wo sie waren, ist jetzt frei. Lass uns dorthin gehen.“

 

Wenige Minuten später standen sie zwischen anderen Marktständen. Der Tuchhändler war zu ihrer Rechten, ein Drechsler zu ihrer Linken. Gemeinsam priesen die Frauen die Handwerksware an und die ersten Interessenten kamen zu Hilde.

Auf Glanderas Stirn bildeten sich Schweißtröpfchen, während sie mit halbem Ohr dem Verkaufsgespräch lauschte. Langsam streifte ihr Blick über den vollen Platz. Die Sonne brannte auf ihre blasse Haut und nicht einmal ein sanftes Lüftchen wehte. Diese Temperatur war sie nicht gewohnt, da es unter Tage kühl war. Mit der Hand schützte sie ihre Augen vor dem Licht, als ihre Aufmerksamkeit auf den Tisch gegenüber gezogen wurde. Ohne ihren Blick abzuwenden, legte sie ihr Wollknäuel zurück in den Korb und schlenderte zum Händler hinüber. Sie quiekte vor Verzückung. Wertvolle Edelsteine aus aller Welt wurden auf dem Tisch feilgeboten. Im Sonnenschein leuchteten Farben, die Glandera noch nie zuvor gesehen hatte. In ihrer ursprünglichen kristallinen Form ruhten sie im Muttergestein. Andere waren zu Schmucksteinen facettiert worden, um sie in Ketten, Anhängern und Ringen zu fassen. Sie konnte sich nicht daran sattsehen.

Neben ihr stand ein Kunde mit Hut und hielt eine Kette mit einem roten Anhänger hoch. Er betrachtete ihn intensiv. Der Händler legte weitere wunderschöne Schmuckstücke auf den Tresen. „Meine Karfunkel kommen aus dem fernen Osten. Ihre Qualität besticht durch die einzigartige Farbe. Sehen sie selbst.“

Interessiert hob sein Kunde eine der Kostbarkeiten hoch und musterte sie ausgiebig. Nachdenklich neigte er den Kopf zur Seite, schüttelte ihn und legte sie wieder zurück. Dann nahm er die nächste, um sie sich genauer anzusehen.

Glanderas Blick wanderte über den Tisch und sie sog die einzigartig leuchtenden Farben in sich auf. Es war ihr nicht möglich, deren Schönheit mit Worten zu beschreiben. Inständig wünschte sie sich, eines Tages einige Edelsteine ihr Eigen zu nennen.

„Entschuldigen Sie, jungen Dame?“

Überrascht drehte sich Glandera um.

Der feine Herr mit dem Hut schaute sie freundlich an. „Ich würde meiner Frau gern eines dieser Schmuckstücke schenken, jedoch bin ich mir nicht sicher, welche ihr gefallen würde. Besäßen Sie die Güte, mir bei der Auswahl zu helfen?“

„Ich weiß nicht …“ Mit großen Augen schaute sie den Unbekannten an.

„Mich würde lediglich Ihre Meinung interessieren. Gefällt Ihnen dieses besser, oder jenes?“ Er hielt seine Selektion in die Höhe.

Glandera betrachtete die wunderschön gefassten Edelsteine und ihre Unsicherheit verflog augenblicklich. Ihre Finger wurden von dem Anhänger angezogen. Sorgsam legte sie das Schmuckstück in die offene Hand. Es pulsierte. Ihr Herz wurde warm, als ob sie geliebt und umsorgt wurde. Dann hielt den Stein ihn ins Sonnenlicht und betrachtete seine rubinrote Farbe. „Ein schöner Anhänger.“ Verträumt legte sie ihn wieder zurück.

Anschließend nahm sie das zweite Kleinod hoch. Der Edelstein strahlte eine andere Energie aus. Sie empfand Mut und Zuversicht, dass sie den feinen Herrn gut beraten könne. „Das ist kein Rubin.“ Die Worte huschten über ihre Lippen, ehe sie nachdachte. Mit den Fingerspitzen hielt sie ihn fest und drehte ihn im Sonnenlicht. „Es ist ein Spinell und wird oft wegen seiner Farbe mit dem Rubin verwechselt. Beide werden als Karfunkel bezeichnet.“

Dem Händler fiel die Kinnlade runter.

Lächelnd nickte der Kunde und zeigte auf die dritte Kette. „Und was halten Sie vom letzten Anhänger? Ich hatte überlegt, diesen zu nehmen.“

Selbstsicher legte Glandera den Schmuck zurück auf das Kissen und winkte ab. „Davon rate ich Ihnen ab, das ist nur gefärbtes Glas.“ Wie einen wertvollen Schatz hob sie das erste Schmuckstück wieder hoch. „Wenn Sie ihre Frau lieben, dann schenken sie ihr diese Kette.“

„Vielen Dank, junge Frau.“ Unauffällig drückte er ihr ein Silber in die Hand, während er ihr den Schmuck abnahm.

Mit großen Augen betrachtete Glandera die Münze. „Das … das kann ich nicht …“

„Doch.“ Sanft schloss er die Finger ihrer Hand. „Sie haben mir mit Ihrer Beratung einen wertvollen Dienst erwiesen.“ Dann wandte er sich an den Händler. „Ich werde diese nehmen.“

„Eine großartige Wahl.“ Der Verkäufer nickte und suchte ein Tuch, um die kostbare Ware darin einzuwickeln.

Ungläubig starrte Glandera auf den Silbertaler – das war fast ein Wochenlohn! Um Worte ringend, drehte sie sich zu ihrer Mutter um. Mit roten Wangen wühlte Hilde mit einer Kundin im Korb und hatte vom ganzen Gespräch nichts bemerkt. Vor lauter Aufregung war ihr Mund trocken. Mit welcher Kühnheit sie diesen Mann beraten hatte! Sie bedankte sich, ließ die Münze in ihren Geldbeutel fallen und machte sich auf den Weg zum Brunnen.

 

Das kühle Wasser im Gesicht tat gut. Nachdem sie auch ihren Nacken und die Arme abgekühlt hatte, stützte sie sich an den Rand des Brunnens und starrte in das Wasser. Woher wusste sie überhaupt, wie man diese Steine erkannte und wie sie hießen?

„Die Kristalle sind wunderschön, nicht wahr?“

Eine tiefe Stimme riss Glandera aus ihrer Faszination. Erschrocken richtete sie sich auf. Ein großer Mann mit braunem Haar und gepflegtem, kurzen Vollbart stand plötzlich wenige Meter neben ihr und sah sie vertrauensvoll an. Mit den breiten Schultern wirkte er wie ein erhabener Felsen. Ihr Blick glitt in Sekundenschnelle über seine Kleidung. Auch ohne die Zeichen auf der Robe erkannte sie ihn. Ihr Mund wurde staubtrocken.

„J-ja“, stammelte Glandera und drehte sich zu Hilde um. „Entschuldigt, ich muss meiner Mutter helfen.“

„Warten Sie bitte!“ Der Erzmagus trat einen Schritt auf sie zu. Sehnsüchtig betrachtete er ihren Zopf, der ihren Rücken hinab baumelte. „Ich habe ein paar Fragen.“

Zögernd lugte Glandera über die Schulter. Ihre Knie wurden weich und sie fror trotz der unsäglichen Hitze. Sie wollte wegrennen, doch eine andere Kraft zog dagegen. Schließlich drehte sie sich um.

„Frau Berger, wissen Sie, wer ich bin?“

Sie zuckte zusammen. Woher kennt er meinen Namen? „Ihr seid ein hoher Magister der Erde“, plapperte sie drauflos. „Und ich entschuldige mich dafür, dass ich Euch angestoßen und Eure Kleidung beschmutzt habe. Ich kann sie waschen, wenn es nötig ist und …“

Mit dem erhobenen Zeigefinger gebot er ihr Einhalt. „Ich bin Magister Ordinarius Ferron de la Peña de los Enamorados.“ Seine Mundwinkel zuckten amüsiert und er senkte die Stimme. „Und ich benötige keine Waschfrau.“

„Nicht?“ Die Quarzsucherin wischte sich die feuchten Hände am Kleid ab und wich seinem Blick aus.

„Ich nehme Ihre Entschuldigung an. Mir ist bewusst, dass es unabsichtlich geschah. Trotzdem war es eine glückliche Fügung.“

Es ist keine glückliche Fügung, wenn ich meine Arbeit verliere. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. „Was wollt Ihr wissen?“ In dem Moment, als sie aufblickte, wechselte seine Augenfarbe von Grau zu dunklem Braun.

„Ob Sie mir Ihre Zeit schenken mögen?“ Langsam kam er näher, während er fortfuhr: „Ich möchte Sie kennenlernen, mit Ihnen verschiedene Edelsteine ansehen und darüber reden.“

„Ich bin vollkommen ungebildet. Ich könnte Ihnen nichts Interessantes berichten“, wehrte sie ab.

„Zweifeln Sie an meinem Urteilsvermögen?“, widersprach er lächelnd.

„Bitte entschuldigt.“ Sie zuckte zurück und lief knallrot an. „Ich habe keine Zeit. Tagsüber arbeite ich in der Mine und anschließend braucht mich meine Familie.“

Er legte den Zeigefinger an seine Lippen und nickte bedächtig. „Ich werde Sie wie heute beurlauben lassen.“

Sie hielt den Atem an. Deshalb gab mir Zulkis heute frei! Mit großen Augen blickte sie ihn scheu an. „Hochgelehrter Magister, ich habe Angst, meine Arbeit zu verlieren.“

„Sie wissen, wem die Minen gehören?“

„Ihnen, hochgelehrter Magister?“

„Das ist korrekt. Ich verwalte sie für die Akademie.“ Langsam ging er um sie herum und stellte sich zwischen den Edelsteinhändler und sie. „Ich möchte nicht lange Ihre Zeit beanspruchen. Wir werden uns über die Herkunft einiger Kristalle unterhalten und uns ansehen, wo sie gewachsen sind.“

Ihr Blick fiel an ihm vorbei, auf den Tisch mit den bunten Edelsteinen. Magisch wurde sie von ihnen angezogen. Dennoch verschränkte Glandera die Arme vor der Brust. „Ist es das, was Ihr befehlt?“

Er holte scharf Luft und drehte den Kopf zur Seite. Dann ließ er seine Schultern sinken. „Nein. Ich werde niemanden zwingen, mit mir einen Ausflug zu unternehmen.“ Als er sie wieder ansah, war das Leuchten in seinen Augen verschwunden. „Bis zum nächsten Mal, Glandera Berger.“

Ehrfürchtig senkte sie ihr Haupt, so wie es angemessen war. „Hochgelehrter Magister.“

 

Am Nachmittag zur vierten Stunde packte Hilde mit leuchtend roten Wangen den fast leeren Wollkorb und sie machten sich auf den Heimweg. Glandera trottete mit gesenktem Kopf neben ihr her. Den ganzen Tag hatte sie die Begegnung mit dem Erzmagus nicht vergessen können. Sie war froh, dass er sie nicht für seine Versuche mitgenommen hatte. Da ihre Mutter nichts bemerkt hatte, beschloss sie, Stillschweigen zu bewahren.

Glandera öffnete die Haustür und sie traten ein. Sofort schlug ihr der Duft vom ofenwarmen Brot entgegen und ihr Magen antwortete knurrend. Anders als sonst stand ein großer Korb mit frischem Obst und Gemüse auf dem Tisch. Ein knuspriger Laib Kartoffelbrot lag daneben.

Hilde trat hinter sie und zog die Augenbrauen hoch. „Wie ist der hierhergekommen?“

„Oh.“ Glandera entdeckte eine Karte mit dem Wahrzeichen der Akademie – dem Oktaeder. Schnell versteckte sie diese hinter dem Rücken. „Ich gehe mich rasch umziehen.“

„Mach das.“ Hilde roch an einer saftigen Zwiebel und murmelte: „Von wem der nur ist?“

Die Holzstufen knarzten, als Glandera die Treppe hinaufeilte. Sie gab der Zimmertür einen Tritt und duckte sich, nachdem sie lauter als gewollt zugefallen war. Mit dem Finger öffnete sie den Briefumschlag und hielt den Atem an, bevor sie die Karte aufklappte. In Tinte war das Erdsymbol auf die Innenseite gezeichnet worden. In ihrem Magen kribbelte es. Woher wusste der Erzmagus, wie dringend sie die Lebensmittel benötigten? Sie war hin- und hergerissen. Würde sie diese zurücktragen, müsste sie es ihrer Mutter erklären.

Die Dielen knarzten, während sie laut brummelnd umherlief. Entschlossen, das Geschenk zurückzubringen, riss sie die Tür auf und stockte. Der Duft von in Butter gedünsteten Zwiebeln erfüllte das Haus.

Vorsichtig lugte sie in den Wohnraum hinab, wo ihre Mutter singend am Herd stand. Bei dem Anblick wurde ihr warm ums Herz und sie verwarf ihr Vorhaben. Stattdessen würden sie endlich einmal satt einschlafen.

„Die Quarzsucherin“ ist bei BoD unter der ISBN 9783757807108 erschienen und im Buchhandel als Taschenbuch und E-Book erhältlich.

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